Im internationalen Warenverkehr findet eine zunehmende Digitalisierung auf verschiedenen Prozessebenen statt. Diese reicht von der Kommunikation zwischen Kunden, Logistikunternehmen sowie nationalen Zollbehörden und geht bis zur elektronischen Anmeldung der Waren. Der Vorteil liegt dabei vor allem in der Effizienzsteigerung des grenzüberschreitenden Handels – auch durch die Nutzung des sogenannten „digitalen Zwillings (digital twin)“.
Dieser versetzt die Logistikbranche in die Lage, eine reale Produkteinheit virtuell zu simulieren, um damit eine digitale Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen. Die Vorteile des digitalen Zwillings gehen über den Transparenzeffekt innerhalb der Lieferkette hinaus. Mithilfe von Simulationen ist es möglich, Verzögerungen zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren.
Was sind „digitale Zwillinge“? – Eine Definition
Der Begriff des „digitalen Zwillings“ wird inzwischen in verschiedenen Zusammenhängen benutzt. Es handelt sich dabei um eine virtuelle, datengestützte Repräsentation eines physischen Objekts, Prozesses oder Systems. Es kann sich bei der digitalen Kopie um die Abbildung eines realen Produkts, zum Beispiel eines Autos zur Darstellung des kompletten Lebenszyklus, oder um einen Prozess – wie den Versand einer Ware – handeln.
Dem ursprünglichen Konzept zufolge besteht das Konstrukt aus folgenden drei Elementen:
- dem digitalen Zwilling,
- einem real vorhandenen Gegenstück,
- einer Daten- und Informationsverbindung.
Damit das Konzept in der Praxis funktionieren kann, bedarf es einer kontinuierlichen Bereitstellung von Echtzeitdaten durch das real existierende Produkt oder System. Ohne diese Informationsverbindung wäre es nicht möglich, das Verhalten zu simulieren, zu analysieren und vorherzusagen.
Im Kontext der Importabwicklung bedeutet dieser Datenstrang, dass Informationen über die gesamte Importkette in die Erstellung einer virtuellen Abbildung einfließen. Diese beginnt mit der Bestellung beim Lieferanten über den Transport bis hin zur Zollabfertigung und der Lieferung bzw. dem Wareneingang beim Besteller.
Um den digitalen Zwilling zu realisieren, können verschiedene Datenquellen integriert werden. Dazu gehören:
- IoT-Sensoren (Internet of Things),
- ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning),
- Transportmanagementsysteme,
- sonstige externe Informationsquellen.
Mithilfe von Machine-Learning-Methoden und künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich die Daten analysieren und in den digitalen Zwilling bzw. dessen Verhalten übersetzen.
Die Rolle digitaler Zwillinge in der Logistik
Auch in der Logistik sowie der Importabwicklung bringt der Einsatz digitaler Zwillinge Vorteile. Gerade die Möglichkeit, heute immer komplexer werdende Abläufe wie Transportwege, Lagerhaltung, Verzollung und Lieferzeiten zu simulieren, macht ihn zu einem Werkzeug in der Prozessoptimierung. Wo und wie spielt das Konzept des digitalen Zwillings seine Stärke aus?
- Visualisierung und Analyse des Ist-Zustands: Digitale Prozesszwillinge sind in der Lage, den aktuellen Ablauf der Importabwicklung in Echtzeit darzustellen. Die Integration von Daten aus Quellen wie Zollsystemen, von Spediteuren oder dem Lagermanagement machen Engpässe, Verzögerungen oder Fehlerquellen transparent visualisierbar.
- Simulation von Soll-Prozessen: Mit der Nutzung des digitalen Zwillings lassen sich Optimierungsszenarien durchspielen, wie zum Beispiel eine Umstellung auf alternative Transportwege, die Automatisierung einzelner Prozessschritte oder eine Anpassung an neue Zollvorschriften. Durch die Simulation lassen sich Auswirkungen auf die Durchlaufzeiten, Kosten und den Ressourcenbedarf darstellen bzw. bewertet, um für reale Veränderungen in den Zollregelungen bereits im Vorlauf Lösungsstrategien zu erarbeiten.
- Prognose und Risikomanagement: Die Entwicklung von Modellen auf Basis des digitalen Zwillings, die historische Daten umfassen, erlaubt die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen. Die Kopplung mit KI-Systemen erlaubt eine Vorhersage von Engpässen bei der Zollabfertigung oder von Verzögerungen, zum Beispiel durch Streiks. Damit unterstützt der digitale Zwilling ein aktives Risikomanagement.

Welche Vorteile haben digitale Zwillinge für Unternehmen im internationalen Handel?
Durch die Implementierung digitaler Zwillinge können Unternehmen auf verschiedenen Ebenen von Vorteilen profitieren. Ein sehr wichtiger Aspekt ist das Erkennen potenzieller Lieferengpässe und Verzögerungen. Je früher diese im Transportprozess erkannt werden, desto früher lassen sich diese beheben und der Importprozess beschleunigen.
Zu den Stärken digitaler Zwillinge gehören aber auch Kosteneinsparungen, die mit der Optimierung verschiedener Prozessschritte und der Reduzierung von Fehlern einhergehen. Da sich mithilfe dieses Konzepts alle Abschnitte der Transportlogistik begleiten lassen, entsteht ein hohes Maß an Flexibilität. Unternehmen sind in der Lage, schnell auf Veränderungen am Markt und in der Gesetzgebung zu reagieren. Simulationen mit digitalen Zwillingen erlauben virtuelle Tests, auf deren Basis man sich dann für die optimale Lösung entscheiden kann.
Durch diese schnelle Adaption erreichen Handelsunternehmen, die digitale Zwillinge implementieren, regelmäßig eine Verkürzung der Durchlaufzeiten. Ein adäquates Handling von Transportverzögerungen kann die Importprozesse deutlich beschleunigen, sodass sich Unternehmen auf diese Weise letztlich einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen. Digitale Zwillinge sind damit ein Werkzeug, um resiliente Logistikprozesse zu implementieren.
Implementierung: Herausforderungen und Lösungen
Digitale Zwillinge als methodischen Ansatz im Unternehmen einzuführen, bedeutet in einem ersten Schritt, die wichtigsten Importprozesse zu identifizieren und zu analysieren, wo ein besonders großes Optimierungspotenzial entsteht. Die Pilotierung über Versuchsprojekte zeigt auf, wo falsche Annahmen zu Fehlern führen und an welcher Stelle das Verfahren verbessert werden kann (zum Beispiel im Dateninput).
Entscheidend für den Erfolg ist zuallererst die Datenqualität. Hier muss sichergestellt sein, dass relevante Datenquellen zuverlässig und in Echtzeit verfügbar sind. Damit gehen Investitionen in Sensortechnologie, Schnittstellen und Integration der IT-Systeme einher. Unternehmen müssen darüber hinaus auch weitere Herausforderungen bei der Einführung digitaler Zwillinge meistern.
Da in diesem Zusammenhang regelmäßig sensible Handels- und Kundendaten verarbeitet werden, sind Datenschutz und Cyber-Security relevante Aspekte. Erforderlich ist daher die Implementierung robuster Sicherheitsmaßnahmen und die Sicherstellung, dass grenzübergreifend alle Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Da die Komplexität internationaler Handelsvorschriften spezialisiertes Know-how erfordert, zahlt sich in diesem Zusammenhang die Kooperation mit erfahrenen Zollagenturen aus. Diese können den Einsatz der digitalen Zwillinge kontinuierlich begleiten, um das Unternehmen in Situationen, in den umfassende Zollexpertise gefragt ist (Änderungen in Zollbestimmungen, Handelsabkommen, regulatorischen Anforderungen etc.), professionell unterstützen zu können. Diese Bereiche sind besonders wichtig, da Fehler schnell deutlich mehr Arbeit für die Compliance-Abteilung bedeuten können.
Fazit: Mit digitalen Zwillingen in der Logistik effizienter arbeiten
Moderne Lieferketten sind für ihren reibungslosen Ablauf auf Just-in-Time-Verfügbarkeit und die Einhaltung von Lieferzusagen angewiesen. Unternehmen können hier mit verschiedenen Methoden arbeiten – wie dem Konsignationslager. Ein weiterer Ansatz: Mit digitalen Kopien der Transportprozesse nicht nur eine lückenlose Verfolgbarkeit in Echtzeit aufbauen, sondern über die verfügbaren Daten den weiteren Transportweg simulieren. Digitale Zwillinge lassen Verzögerungen schnell erkennen und erlauben im laufenden Logistikprozess die Vornahme von Änderungen, um Verzögerungen – beispielsweise durch alternative Routen – zu vermeiden. Handelsunternehmen bietet das Konzept des digitalen Zwillings die Chance, sich auf lange Sicht einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.