Im Oktober 2021 ist das modernisierte Freihandelsabkommen zwischen der Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) und der Türkei in Kraft getreten. Es regelt weitaus detaillierter als das ursprüngliche Abkommen, welche Erzeugnisse zollfrei zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei gehandelt werden können. Zu der ursprünglichen Regelung bezüglich Industriegütern und Fischereierzeugnissen sind weitere Themenschwerpunkte des Warenhandels wie Dienstleistungen, geistiges Eigentum, öffentliche Beschaffung, Nachhaltigkeit, Streitbeilegung und Wettbewerb hinzugekommen.
In diesem Artikel schauen wir uns genauer an, was das modernisierte Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei bedeutet und welche Vorteile sich dadurch für die beteiligten Parteien ergeben.
Hintergrund und Geschichte des Freihandelsabkommens mit der Türkei
Die EFTA wurde 1960 in Stockholm gegründet und besteht heute aus den vier Staaten Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Sie hat über viele Jahrzehnte hinweg eigene Freihandelsabkommen mit verschiedenen Ländern der Erde abgeschlossen. Dazu gehören unter anderem Chile, Georgien, die Golf-Staaten, Hongkong, aber eben auch die Türkei.
Ursprünglich geht die Kooperation der EFTA-Staaten mit der Türkei auf die Jahre 1991/92 zurück. Damals wurde das Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und der Türkei erstmals ratifiziert. Es trat im gleichen Jahr in Kraft. Daneben wurden viele weitere wichtige Regelungen zum Investitionsschutz und zur Doppelbesteuerung beschlossen.
Nun, mehr als 30 Jahre später, soll das modernisierte Freihandelsabkommen EFTA-Türkei die alten Verträge ersetzen und für einen lebendigen Handel zwischen den beteiligten Staaten sorgen. Für Akteure aus der Schweiz, Liechtenstein, Island und Norwegen wird es so einen größeren Marktzugang in der Türkei geben. Bürokratische Hemmnisse werden abgebaut und gesundheitspolizeiliche sowie pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen effizienter gestaltet
Die wichtigsten Aktualisierungen im EFTA-Türkei-Handelsabkommen
In mehr als 30 Jahren hat sich vieles auf der Welt verändert. Durch die wachsende Globalisierung war es an der Zeit für ein modernisiertes Freihandelsabkommen EFTA-Türkei.
Zu den wichtigsten Aktualisierungen, die im modernisierten Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei festgehalten wurden, gehören:
- Zollabbau: Die Zölle und Abgaben für unverarbeitete und verarbeitete Landwirtschaftserzeugnisse werden innerhalb des modernisierten Freihandelsabkommens gesenkt
- Wegfall vieler der aufwendigen Zollverfahren mit der Türkei
- Die EFTA-Staaten erhalten erstmals Konzessionen für nicht-verarbeitete Landwirtschaftsprodukte
- Neue Zollzugeständnisse für Käse, Fleisch, Fruchtsaft, Kaffee, Tabak, Schokolade und Müsli
- Präferenzzugang für türkische Produkte wie Gurken, Olivenöl, Bulgur, Nüsse, Kapern und Artischocken
- Nachhaltigkeit: Es wird ein gemeinsamer Referenzrahmen zum Thema Umweltschutz, Arbeitsrecht und Nachhaltigkeit festgelegt
- Bekräftigung des Bekenntnisses zum Kampf gegen Korruption
- Geistiges Eigentum: Mehr Schutz dieser Rechte im internationalen Handelsverkehr
- Vereinfachung des Handels mit Dienstleistungen
- Verhinderung unnötiger technischer Handelshemmnisse sowie gesundheitspolizeilicher sowie pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen
- Gegenseitige Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsmärkte
Vorteile für den Handel zwischen der EFTA und der Türkei
Die Vorteile eines modernisierten Freihandelsabkommens für die EFTA und die Türkei liegen auf der Hand: Alle Parteien profitieren hier von geringeren Zöllen, weniger Kontrollen und einem besseren Zugang zu den jeweiligen Märkten. Während die Schweiz beispielsweise ihren Edelstein-Handel ebenso wie den Export von Milchprodukten wie Käse steigern kann, darf die Türkei bevorzugt mit Kapern, Fruchtsäften und ähnlichen Landwirtschaftsgütern handeln.
Dabei werden aber nicht nur Zölle und Zugangsschranken, sondern auch viele andere Hemmnisse reduziert. Eine Handelsbarriere waren bisher die gesundheitspolizeilichen Maßnahmen und die Überprüfungen des Pflanzenschutzes. Während beide Themen international natürlich wichtig sind, ist eine doppelte Prüfung unnötig und verzögert den Warenverkehr. Indem die Eingriffe reduziert werden, kann der Handel zwischen der EFTA und der Türkei schneller vonstattengehen.
Was beim früheren Handelsabkommen EFTA-Türkei ausgeblieben war, sind die Dienstleistungen. Durch die Modernisierung des Abkommens eröffnen sich den Anbietern nun viele neue Möglichkeiten für den Technologietransfer und elektronische Services verschiedenster Art.

Neue Handelsmöglichkeiten durch das EFTA-Handelsabkommen mit der Türkei
Der wichtigste Fortschritt am modernisierten Freihandelsabkommen EFTA-Türkei ist, dass sich den wirtschaftlichen Akteuren neue Handelsmöglichkeiten eröffnen. Dies betrifft unter anderem den Import/Export von Milchprodukten und unverarbeiteten Landwirtschaftsprodukten, geistigen Gütern sowie Dienstleistungen. Im Folgenden schauen wir uns konkret potenzielle Technologietransfers und Innovationen, die Nachhaltigkeit und die Investitionsmöglichkeiten an.
Technologietransfer und Innovation
Einer der größten Vorteile des modernisierten Freihandelsabkommens zwischen der EFTA und der Türkei ist, dass sich die beteiligten Länder besser in Hinsicht auf neue Technologien austauschen können. Vor allem im Bereich der künstlichen Intelligenz gibt es immer mehr Innovationen, von denen die EFTA ebenso wie die Türkei profitieren dürften.
Eine Grundlage für diesen Technologietransfer ist der Schutz des geistigen Eigentums. Dieser wurde als essentieller Punkt in das modernisierte Freihandelsabkommen zwischen der Türkei und der EFTA aufgenommen. Somit wird sichergestellt, dass Verstöße von allen Seiten verfolgt und geahndet werden. Zudem stehen den Entwicklern bestimmter Technologien entsprechende Tantiemen zu.
Nachhaltigkeit und Handel
Im modernisierten Freihandelsabkommen einigen sich die EFTA-Staaten und die Türkei darauf, den aktuellen Standards zur Nachhaltigkeit zu folgen. So wird anerkannt, dass das Verhalten der Unternehmen eine nachhaltige Entwicklung bewusst fördern muss. Hierbei beziehen sich die Vertragsparteien bewusst auf den Aktionsplan von Johannesburg von 2002 sowie andere Einigungen zur sozialen Gerechtigkeit bei fairer Globalisierung. Die entsprechenden Paragrafen umfassen damit nicht nur den Umweltschutz durch die Reduktion von Fahrwegen, Müll und CO2, sondern auch eine faire Bezahlung.
Gemäß Artikel 7.7 des modernisierten Freihandelsabkommens zwischen der EFTA und der Türkei verpflichten sich die Partner dazu, nachhaltige Baumaterialien zu verwenden, auf erneuerbare Energien zu setzen und energieeffizient zu arbeiten. Bevorzugt sollen Waren und Dienstleistungen mit einem Umweltzeichen gehandelt werden. Um die Ziele der Nachhaltigkeit umzusetzen, ist auch hier ein Technologietransfer erlaubt und gewünscht. Technische Innovationen, die dabei mithelfen, die Umweltbilanz zu verbessern, sollten so zwischen den teilnehmenden Staaten beziehungsweise den handelnden Unternehmen bereitgestellt werden.
Investitionsmöglichkeiten
Neben dem Handel an sich sollen auch Investitionsmöglichkeiten zwischen den EFTA-Staaten und der Türkei gefördert werden. Sollten zum Beispiel Unternehmer aus der Schweiz interessante Optionen für ein Investment an der Küste von Antalya gefunden haben, sollten die rechtlichen und bürokratischen Hürden hierfür gesenkt werden.
In den vergangenen 20 Jahren waren es vor allem der Bau- und der Finanzsektor, in denen es viele ausländische Investitionen in der Türkei gab. Mittlerweile kommen diverse Dienstleistungen hinzu. Ebenso wird es durch das modernisierte Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und der Türkei verbesserte Möglichkeiten geben, um im Groß- und Einzelhandel aktiv zu werden.
Auf der anderen Seite mussten natürlich auch die Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein im Vertrag Zugeständnisse machen und die Investitionen türkischer Unternehmen erlauben. So wird sich auf Dauer ein intensiverer Austausch und lebendiger Handel zwischen den Vertragsparteien entwickeln.

Herausforderungen und Kritik am neuen EFTA-Handelsabkommen mit der Türkei
Die größte Kritik am modernisierten Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und der Türkei betrifft die politischen Aspekte. So wird von Aktivisten hervorgehoben, dass der Abschluss des Vertrages zu einem Zeitpunkt zustande gekommen ist, als Präsident Recep Tayyip Erdoğan das autokratische System erheblich verfestigt hat.
Eine Herausforderung wird es sicherlich sein, Menschenrechtsvergehen in der Türkei im Rahmen des Freihandels effektiv zu überwachen und zu verhindern. So ist es schwer nachzuweisen, dass Unternehmen zum Beispiel Produkte von unterbezahlten Arbeitskräften mit Asylstatus aus Syrien herstellen lassen und sie dann in die EFTA-Staaten exportieren.
Da gerade die nachhaltigen Aspekte und ein fairer Umgang mit den Mitarbeitern im Freihandelsabkommen als Grundvoraussetzung festgeschrieben sind, eröffnet dies eigentlich erst den Raum für verbesserte Kontrollen.
Fazit: Neue Zukunftsperspektiven mit dem modernisierten Freihandelsabkommen EFTA-Türkei
Mit dem modernisierten Freihandelsabkommen EFTA-Türkei unternehmen die beteiligten Staaten einen notwendigen Schritt in die Zukunft. Sie schließen damit einerseits die Vorteile an, welche die EU mit ihren Abkommen mit der Türkei hat. Andererseits geht es aber auch um eine Modernisierung in Hinsicht auf nachhaltige Standards sowie eine faire Bezahlung.
Erstmals öffnen sich Türkei und EFTA für den zollfreien Handel unverarbeiteter Landwirtschaftsprodukte sowie zahlreicher weiterer Waren vom Schweizer Käse bis hin zu Kapern von der Türkischen Riviera. Dies, zusammen mit der Möglichkeit, Dienstleistungen und geistige Güter besser zwischen der Türkei, Liechtenstein, der Schweiz, Norwegen und Island handeln zu können, wird nun viele neue Möglichkeiten für eine gemeinsame Entwicklung eröffnen.