Unternehmen nutzen zur Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen regelmäßig Muster, um die Eigenschaften neuer Produkte vorzustellen und prospektiven Abnehmern die Möglichkeit zu bieten, sich auch haptisch und durch direkten Kontakt einen Eindruck zu verschaffen. Insbesondere für die Präsenz und Ausstellung auf Messen im In- und Ausland haben Musterkollektionen eine wichtige Funktion.
Im Hinblick auf die Ein- und Ausfuhr stellt sich jedoch die berechtigte Frage, wie der Sonderfall der Musterkollektion als temporäre Warenpräsentationen im Zollrecht verankert ist. Grundsätzlich sind diese nicht für den Verkauf bestimmt und verfügen damit – anders als bei tatsächlich zum Verkauf bestimmten Ausfuhren – auch nicht über einen monetären Wert.
Musterkollektionen als temporäre Warenpräsentation
Musterkollektionen, die im Rahmen von im Ausland stattfindenden Messen oder Verkaufsgesprächen vorgestellt werden, sind temporäre Warenpräsentationen, die Demonstrations-, Test- oder Ausstellungszwecken dienen und dazu zeitlich begrenzt importiert oder exportiert werden. Die Verkaufsintention tritt an dieser Stelle in den Hintergrund, weshalb in diesem Zusammenhang spezielle zollrechtliche Regelungen gelten.
Konkret wird dabei die Zahlung von Einfuhrabgaben durch die Deklaration als Musterkollektion vermieden. Damit Unternehmen diesen Vorteil für sich in Anspruch nehmen können, sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen. Sollte hingegen erkennbar werden, dass die Rahmenbedingungen nicht mehr gelten, ist mit dem Anfallen von Zollgebühren und sogar rechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
Damit berührt das Thema Musterkollektion auch die Arbeit der Compliance-Beauftragten in betroffenen Unternehmen. In welchen Einsatzbereichen und Fällen sind Musterkollektionen besonders wichtig?
- Messen/Produktausstellungen: Unter anderem Automobil-Messen, Industriemessen, Mode- und Designausstellungen sind die Gelegenheit für Unternehmen, aktuelle Produkte zu präsentieren. Die in Frage kommende Palette an Produkten erstreckt sich über ein breites Spektrum.
- Produktvorführungen und Testmusterstellung: Unternehmen können vereinbaren, dass Produktionsmaschinen oder Technologien beim Abnehmer/Kunden getestet werden. Dabei können besondere Zollvorschriften zur Anwendung kommen.
- Warenmuster: In vielen Fällen stellen Unternehmen Produktmuster zur Verfügung, die nicht zum Verkauf bestimmt sind. Die Bereitstellung von Warenmustern ist bei vielen Produktgruppen und Erzeugnissen ein etabliertes Prozedere. Sofern mit diesen Mustern kein Verkaufserlös erzielt wird, können sie unter besonderen Zollvorschriften eingeführt werden.
- Produktausfuhren für Events: Regelmäßig kommt es zu der Situation, dass Produkte zum Zweck einer Vorführung bei unterschiedlichen Events ausgeführt werden. Aufgrund besonderer Zollvorschriften findet eine erleichterte Zollabwicklung bei der Einfuhr dieser Muster statt.
Die Unterscheidung zwischen einer Warenpräsentation als vorübergehende Verwendung, bei der die betreffenden Güter nicht zum endgültigen Verbleib im Land bestimmt sind, und dem Verkauf von Produkten ist für die weitere zollrechtliche Behandlung von Bedeutung.
Zollverfahren bei einer vorübergehenden Verwendung
Infolge der Deklaration von Waren als Musterkollektion profitieren Unternehmen von einigen zollrechtlichen Besonderheiten. Waren können damit zur vorübergehenden Verwendung in das Zollgebiet der Europäischen Union (EU) eingeführt werden, ohne dass darauf Einfuhrabgaben erhoben werden. Allerdings kann davon nur profitiert werden, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind.
Die Waren müssen zunächst eindeutig als Gebrauchsmuster zu erkennen sein. Dafür sind entsprechende Kennzeichnungen anzubringen oder die Produkte unverkäuflich gemacht werden. Bei Modewaren erfolgt diese häufig durch das Einstanzen eines Lochs in den Artikel.
Zusätzlich müssen die einzelnen Bestandteile einer Musterkollektion klar zu erkennen sein. Über eine spezielle Kennzeichnung und die Aufnahme von Seriennummern lässt sich bei der Ausfuhr überprüfen, ob auch wirklich die richtigen Produktmuster das Zollgebiet der EU wieder verlassen.
Ganz wichtig: Damit die Vergünstigungen nicht verfallen, dürfen die betreffenden Produkte nicht außerhalb ihrer Bestimmung als Muster verwendet werden. Unternehmen, die für sich die besonderen Zollvorschriften in Anspruch nehmen, müssen außerdem die für die Wiederausfuhr gesetzte Frist beachten.
Bei der Einfuhr zur vorübergehenden Verwendung kann die Zollbehörde eine Sicherheitsleistung verlangen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die ordnungsgemäße Wiederausfuhr der Waren erfolgt. In Frage kommen als Sicherheitsleistung Bürgschaften, eine Kaution oder andere Garantien. Die Höhe der Sicherheitsleistung wird dabei anhand des Verkaufswerts ermittelt, der gelten würde, wenn die Produkte zur Überführung in den freien Warenverkehr bestimmt wären.
Welche zollrechtlichen Regelungen gelten für Warenmuster
Für die Einfuhr von Warenmustern bzw. Musterkollektionen gelten unterschiedliche Regelwerke. In der EU gilt beispielsweise der Unionszollkodex (UZK). Dieser legt die Rahmenbedingungen fest, unter denen die Einfuhr für die vorübergehende Verwendung möglich ist und wann die Einfuhrabgaben entfallen.
Zusätzlich müssen sich Unternehmen mit den nationalen Zollvorschriften auseinandersetzen – etwa in Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer. Eine rechtskonforme Abwicklung ist essenziell, um von den besonderen zollrechtlichen Bestimmungen zu profitieren. Unternehmen können an dieser Stelle auf externes Know-how zurückgreifen und die Deklaration der Warenmuster von einem professionellen Verzollungsbüro abwickeln lassen.
Im Zusammenhang mit Musterkollektion besonders wichtig ist das Carnet ATA. Hierbei handelt es sich um ein Zolldokument, das mehrere Aufgaben erfüllt. Einerseits erleichtert es als „Reisepass für Waren“ die Verbringung von Warenmustern in mehrere Dutzend Länder. Gleichzeitig hat es eine Garantiefunktion, da es als Sicherheit für Zollabgaben und Steuern dient. Das Stellen einer zusätzlichen Sicherheit entfällt damit.
Zollverfahren ohne Carnet ATA
Das Carnet ATA kann bei der Einfuhr von Warenmustern in einer Vielzahl an Ländern genutzt werden. Gleichwohl beteiligen sich nicht alle Länder an diesem Verfahren. Aus unternehmerischer Sicht ist es wichtig, für diesen Fall Alternativen zu kennen.
Eine Möglichkeit ist das Hinterlegen einer Sicherheit bei der Einfuhr in das Zielland. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Wiedereinfuhr in die EU nach der Verwendung des Warenmusters bereits im Ausfuhrprozess vorbereitet werden kann. Neben der Pro-Forma-Rechnung und der elektronischen Ausfuhranmeldung (mithilfe des ATLAS-Systems) wird das INF.3-Formular zur Abwicklung der Rückwarenregelung benutzt (bei Vorlage erkennt die Zollbehörde, dass die Waren zuvor ausgeführt wurden und erhebt keine Einfuhrgebühren). Bei der Einfuhr in das Drittland hinterlegen Unternehmen die erforderliche Sicherheitsleistung, welche bei der fristgerechten Ausfuhr wieder freigegeben wird.
Neben der Möglichkeit, unter Sicherheitsleistungen Musterkollektionen in Drittländer einzuführen, gibt es sehr unterschiedliche nationale Regelungen. Beispielsweise können in der Schweiz entsprechend deklarierte Warenmuster und -proben, Rückwaren sowie Waren für gemeinnützige Organisationen eine Zollbefreiung erhalten.
Zollrechtliche Behandlung nach Ablauf der Verwendung als Warenmuster
Sobald die Frist für die vorübergehende Verwendung von Gütern als Warenmuster abläuft, muss sich das Unternehmen für eine Lösung entscheiden, um die Vorschriften im Zollverfahren zu erfüllen. Nur so lassen sich zusätzliche Kosten oder andere rechtliche Konsequenzen vermeiden.
- Möglichkeit 1 – Ausfuhr der Musterkollektion: Die Güter werden vor Fristablauf aus dem Zollgebiet ausgeführt. Hierbei handelt es sich um das Szenario, für welches sich viele Unternehmen in der Regel entscheiden, da Warenmuster oft mehrfach auf Messen zum Einsatz kommen. Die Wiederausfuhr und Einfuhr ins Herkunftsland muss der zuständigen Zollbehörde gemeldet und dokumentiert werden.
- Möglichkeit 2 – Überführung in den freien Warenverkehr: Sobald Warenmuster im Zollgebiet verbleiben sollen, werden sie in den freien Verkehr überführt und sind zollrechtlich nachzubearbeiten. Es fallen in diesem Szenario die Einfuhrabgaben – also Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer – wie bei einem herkömmlichen Import mit Verkaufsabsicht an.
- Möglichkeit 3 – Beantragen einer Fristverlängerung: Unter Umständen besteht die Möglichkeit, die Frist zur vorübergehenden Nutzung zu verlängern. Die konkreten Voraussetzungen und entsprechenden Formalien werden durch die jeweiligen nationalen Zollvorschriften vorgegeben.
- Möglichkeit 4 – Zerstörung der Warenmuster: Sofern weder die Rückführung ins Herkunftsland noch eine Verbringung in den freien Warenverkehr eine Option sind, kann die Zerstörung von Warenmustern in Erwägung gezogen werden. Hier setzen die nationalen Zollvorschriften allerdings oft voraus, dass dies unter zollamtlicher Überwachung erfolgen muss bzw. die Zerstörung zu dokumentieren ist.
Mögliche Fehlerquellen bei der zollrechtlichen Behandlung von Musterkollektionen
Die Ausfuhr und Wiedereinfuhr von Warenmustern ist ein komplexer Prozess, bei dem verschiedene Fehler dazu führen, dass die Zollvergünstigung nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Denkbar ist beispielsweise die Überschreitung der für die vorübergehende Verwendung festgelegten Frist. Waren, die nicht rechtzeitig wieder ausgeführt werden, ziehen Zollabgaben und zusätzliche Strafen nach sich. Darüber hinaus kann es insbesondere zu folgenden Fehlern kommen:
- Veränderung oder unerlaubte Verwendung: Die Bestandteile der Musterkollektionen dürfen nur zu den angemeldeten Zwecken verwendet und in ihrer Beschaffenheit nicht verändert werden. Verstöße ziehen – je nach den anzuwendenden Zollvorschriften – rechtliche Konsequenzen nach sich.
- Verkauf oder Übertragung: Eine Übertragung von Warenmustern durch Vermietung oder Verschenken sowie der Verkauf fallen regelmäßig nicht unter die Zollregelungen zur vorübergehenden Verwendung. In diesem Fall ist folglich eine entsprechende Zollanmeldung vorzunehmen.
- Fehler beim Nämlichkeitsnachweis: Im Zusammenhang mit der Wiedereinfuhr muss dargelegt und klar zu erkennen sein, dass es sich um die ursprünglich ausgeführten Warenmuster handelt. Ist dies nicht oder nur lückenhaft möglich, drohen Konsequenzen.
- Falsche Kalkulation der Zollabgaben: Im Rahmen einer Musterkollektion werden von Bekleidungsunternehmen oft mehrere Kleidungsstücke aus einer Linie eingeführt. Unter einem Warenwert von 50 Euro greift eine Geringwertigkeitsregel, nach der bei der Einfuhr in die EU Abgaben entfallen. Die Unterschiedsregel für Warenmuster greift aber nicht, wenn beispielsweise nur unterschiedliche Konfektionsgrößen einer Warengruppe eingeführt werden. Ein Fehler, der unerwartete Kosten in Form von Einfuhrabgaben nach sich zieht.
Fazit: Für Warenmuster gelten besondere Zollvorschriften
Internationale Handelsbeziehungen leben davon, dass Geschäftspartner neue Produkte und Güter im direkten Kontakt erfahren können. Zu diesem Zweck werden Musterkollektionen bzw. Warenmuster auch ins Ausland verbracht – beispielsweise, um auf einer Messe ausgestellt zu werden. Für die damit verbundene vorübergehende Verwendung gelten besondere Zollvorschriften – nicht selten entfallen Einfuhrabgaben oder werden reduziert. Allerdings ist die Behandlung der Warenmuster an spezifische zollrechtliche Bedingungen geknüpft. Daher bedarf es stets des nötigen Know-hows und Expertise in der Zollpraxis, um Fehler und zusätzliche Kosten zu vermeiden.