Ein großer Teil der Unternehmen steht zunehmend vor der Herausforderung, gleichzeitig flexibel, effizient und innovativ produzieren zu müssen. Viele Produkte werden daher nicht mehr innerhalb eines Landes hergestellt. Die arbeitsteilige Produktion über Ländergrenzen hinweg (Shared Manufacturing) lässt Synergien für alle Beteiligten entstehen, bringt aber unter zoll- und steuerrechtlichen Gesichtspunkten auch Herausforderungen mit sich.
Die vertikale Arbeitsteilung bedingt häufig mehrfache Grenzübertritte von Rohstoffen, Halbzeugen und Fertigprodukten. Damit wird die Zollabwicklung im Vergleich zu traditionellen Lieferketten signifikant komplexer. Zu den besonderen Herausforderungen gehören unter anderem die verschiedenen Zollabfertigungsprozesse und sich ändernde Rahmenbedingungen.
Shared Manufacturing – Die Vorteile für Unternehmen im Überblick
Shared Manufacturing ist eine kooperative Produktionsweise, die verschiedene Unternehmen grenzüberschreitend in die Herstellung eines Produkts einbindet. Jedes beteiligte Unternehmen bringt dabei spezifische Kompetenzen, Technologien oder Ressourcen ein. Aus unternehmerischer Sicht hat das Shared Manufacturing wirtschaftliche, strategische und operative Vorteile.
Zu den wirtschaftlichen Vorteilen gehört die Möglichkeit der effizienten Verteilung von Kosten durch eine optimale Nutzung von Produktionsressourcen. Zusätzlich erhöhen sich damit die Flexibilität und die Auslastung (da Shared Manufacturing auch ein Teilen der Maschinenkapazitäten mit sich bringt). Diese Vorteile bedeuten, dass sich ressourceneffizient produzieren und der Energieverbrauch verringern lässt.
Strategisch bietet die Methode den Vorteil, sich als Unternehmen besser auf die eigentlichen Kernkompetenzen konzentrieren zu können. Aufgrund einer engen Zusammenarbeit mit anderen beteiligten Unternehmen kommt es zu einem stetigen Wissensaustausch und einer Förderung innovativer Ideen.
Shared Manufacturing am Praxisbeispiel erklärt
Ein typisches Beispiel für eine Produktionskette im Shared Manufacturing ist der nordamerikanische Automobilsektor, der sich über drei Länder erstreckt: Die USA, Mexiko und Kanada. An der Fertigung eines Pkw für den US-Automarkt arbeiten Dutzende Unternehmen zusammen.
Das Ergebnis: Einige der in den Fahrzeugen verbauten Teile werden zwischen den verschiedenen Produktionsstandorten über die Landesgrenzen transportiert, bevor es zur Endmontage kommt. Beispiel Motor: Der Rohguss wird aus Kanada nach Mexiko für die Kolbenproduktion geliefert. Auf diese greifen Motorenhersteller aus den USA zurück, die ihre fertigen Motoren zur Endmontage nach Kanada schicken.
Ein weiteres Beispiel für ein smartes Shared Manufacturing wäre der Aufbau eines Auslastungs- und Produktivitätspools in der Feinmechanik- und Werkzeugproduktion. Um unrentable Stillstandzeiten durch ungenutzte Produktionskapazitäten zu verringern, wird ein System zur Erfassung der Maschinen- und Auslastungsdaten aufgebaut. Dabei melden Hersteller Stillstandzeiten an eine Beschaffungsplattform, über welche Abnehmer direkt Zugriff auf die Produktionspartner haben und die Fertigung in Auftrag geben können.
Zollrechtliche Herausforderungen beim Shared Manufacturing
Neben den Vorteilen sind mit dem Shared Manufacturing im Hinblick auf die zollrechtliche Behandlung der Waren auch Herausforderungen für die Unternehmen verbunden. Vor allem die mehrfachen Grenzübertritte der Ware kann zu Komplikationen führen, weil die Unternehmen dadurch mit unterschiedlichen Zollvorschriften und -regelungen konfrontiert sind.

Mehrstufige Zollabfertigung
Jeder Grenzübertritt in der vertikalen Produktionskette, dem die Vorprodukte unterliegen, erfordert eine vollständige Zolldeklarationen mit präziser Warenklassifizierung mittels der HS-Codes (standardisierte Zolltarifnummern) und eine korrekte Ursprungsbestimmung. Damit ist ein erheblicher Aufwand verbunden. Passieren an dieser Stelle Fehler, kann dies umfassende Dokumentenprüfungen nach sich ziehen.
Gerade bei Just-in-Time-Lieferketten können schon kurze Verzögerungen die gesamte Produktionskette durcheinanderbringen. Parallel besteht das Risiko, durch Fehler in der Zolldeklaration zusätzliche Kosten – etwa durch eine Doppelbesteuerung oder Strafzahlung – zu verursachen.
Datenmanagement beim Shared Manufacturing
Zu den Herausforderungen gehört auch die Verwaltung bzw. der Umgang mit den notwendigen Daten. Diese sind für eine korrekte und effiziente Erfassung der Produkte im Rahmen der Zollprozesse von Bedeutung. Als besonders schwierig erweist sich die manuelle Erfassung der notwendigen Informationen, da diese eine nicht zu unterschätzende Fehlerquelle darstellt.
Tauchen inkonsistente Stammdaten im Zuge der Zollabfertigung auf, sind Verzögerungen wahrscheinlich. Mögliche Fehlerquellen kristallisieren sich im Zusammenhang mit dem Datenmanagement auch durch eine wiederholte manuelle Eingabe der Stammdaten bei den Zollstellen heraus, wenn diese nicht in elektronischer Form vorliegen.
Veränderungen der zollrechtlichen Rahmenbedingungen
Beim Shared Manufacturing sind die einzelnen Produktionsschritte auf die jeweiligen regulatorischen und zollrechtlichen Vorschriften zugeschnitten. Diese umfassen beispielsweise die Zusammenstellung der Ursprungsnachweise. Ändern sich die Zollregeln – beispielsweise durch neue Handelsabkommen –, ändern sich folglich auch diese Rahmenbedingungen.
Für die beteiligten Unternehmen ergeben sich Herausforderungen aus dem Erfordernis, die bestehenden Prozesse an die neuen Bedingungen anzupassen. Besonders schwierig wird die Situation, wenn ein komplexes Produktionsmodell nicht ohne Weiteres mit den Regeln eines Freihandelsabkommens kompatibel ist. In solch einem Fall entsteht zusätzlicher Verwaltungsaufwand, der auch die Compliance-Beauftragten der beteiligten Unternehmen beschäftigen kann.
Lösungsmöglichkeiten für optimiertes Shared Manufacturing
Ausgehend von den verschiedenen Problemstellungen, denen Unternehmen im vertikalen Produktionsprozess des Shared Manufacturing gegenüberstehen, sind nachhaltige und kosteneffiziente Lösungen gefragt. Diese setzen auf verschiedenen Ebenen an und erstrecken sich von der Optimierung des Datenmanagements bis zur grenzüberschreitenden Koordinierung der Compliance-Teams.
Integration moderner Datenverarbeitung
Um zu verhindern, dass manuell erfasste und eingegebene Daten in den Zollverfahren zum Problem werden, braucht es ein umfassend digitalisiertes Informations- und Datenmanagement. Hierzu stehen Unternehmen heute innovative Tools zur Verfügung, die neben KI-Lösungen auch Ansätze aus den Bereichen Blockchain und Echtzeit-Tracking einbinden.
Diese Werkzeuge versetzen Unternehmen in die Lage, die Zollabfertigung für mehrere Länder mittels digitaler Zolldokumente auf einer Plattform zusammenzufassen und diese automatisiert über die entsprechenden Schnittstellen einzupflegen. Auf diese Weise verringert sich nicht nur die Dauer der Zollabfertigung, es bietet sich auch Potenzial zur Reduzierung der Zollabgaben und der Erhöhung der Nachhaltigkeit, da Belege auf Papier nicht mehr notwendig sind.

Cross-Border-Compliance aufbauen
Durch die Konfrontation mit unterschiedlichen Zollregelungen ist das Potenzial für Konflikte beim Shared Manufacturing hoch. Besonders, wenn einzelne Jurisdiktionen die komplexen Arbeitsprozesse nur unzureichend erfassen, drohen Verzögerungen. Für eine bessere Risikosteuerung können gemeinsame Compliance-Teams der beteiligten Unternehmen – mit Expertise in Logistik, Recht und Controlling – gebildet werden, um die einzelnen Schritte überwachen und Best-Practices entwickeln zu können.
Damit werden die Compliance-Abteilungen der einzelnen Unternehmen entlastet und die entscheidende Kompetenz wird stärker gebündelt. Durch den umfassenden Wissenstransfer sind die Teams zudem in der Lage, schnell und flexibel auf regulatorische Änderungen reagieren zu können. Mithilfe gemeinsamer Standards der Compliance-Teams bei der Abwicklung von Zollfragen lassen sich außerdem die Arbeitsprozesse harmonisieren und effizienter gestalten.
Ausnutzen von Vereinfachungen in der Zollabwicklung
Um innerhalb des Shared Manufacturing eine Optimierung der Zollabfertigung zu erreichen, kann die vertikale Arbeitsteilung auf die Ausnutzung der besonderen Rahmenbedingungen für Veredelungsverfahren ausgerichtet werden.
Die aktive (das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Unionsgebiet) und passive Veredelung (Ausfuhr von Waren für den Veredelungsprozess aus dem Unionsgebiet) können im Rahmen des Zollrechts privilegiert behandelt werden. Beispielsweise sind Produkte im Rahmen der aktiven Veredelung für die Dauer der Bearbeitung von Einfuhrabgaben befreit.
Zusammenarbeit mit externen Partnern
Ein weiterer Ansatz ist die Zusammenarbeit mit erfahrenen externen Partnern, wie professionellen Verzollungsbüros. Durch deren Expertise im täglichen Umgang mit Importeuren, Exporteuren und Zollbehörden lassen sich schnell geeignete Lösungen für ein optimiertes und an die Bedürfnisse angepasstes Shared-Manufacturing-Modell finden.
Fazit: Shared Manufacturing mit externem Know-how optimieren
Unternehmen sehen sich im internationalen Wettbewerb vielschichtigen Herausforderungen ausgesetzt. Produktionsprozesse müssen optimal strukturiert werden, um eine hohe Auslastung zu erreichen und die Fixkosten effizient zu gestalten. Shared Manufacturing bietet in diesem Zusammenhang Vorteile, da es durch die Arbeitsteilung nicht nur zu Synergien hinsichtlich der Prozessoptimierung kommt, sondern auch ein Wissenstransfer stattfindet.
Die komplexen Prozesse innerhalb des Shared Manufacturing stellen allerdings zollrechtlich eine Herausforderung dar. Fehler, die zu umfassenden Prüfungen führen, lassen sich unter anderem durch eine intensive Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen auf der Compliance-Ebene vermeiden. Darüber hinaus bietet die Inanspruchnahme externer Expertise die Chance, Zollverfahren und Kosten zu optimieren.