Angesichts der riesigen Datenmengen, die heutzutage im internationalen Handel ausgetauscht werden, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Zollverfahren eine naheliegende Entwicklung. Algorithmen und Codes können auf Basis von Big Data wesentlich schneller Informationen verarbeiten und innerhalb von wenigen Sekunden oder Minuten Dokumente prüfen, Risiken bewerten sowie Anmeldungen durchführen. Warum künstliche Intelligenz und Automatisierung für den Zoll heute so relevant ist, zeigen wir Ihnen in diesem Artikel.
Anwendungsbereiche von künstlicher Intelligenz in Zollverfahren
Künstliche Intelligenz basiert in erster Linie auf Large Language Models (LLM), neuronalen Netzen und einer Ansammlung unzähliger Daten. Auf dieser Grundlage können die Maschinen selbst lernen, Objekte sowie Dokumente schnell erkennen und diese binnen Sekunden verarbeiten. Ein gutes Beispiel für den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Zollverfahren ist die Prüfung von Dokumenten nach Richtigkeit und Plausibilität. Weiterhin ist es bereits jetzt möglich, bestimmte Warengruppen einzig und allein anhand von Bildern in einen bestimmten Zolltarif einzuordnen – manuelles Blättern durch die Kataloge und Nummern entfällt. Darüber hinaus unterstützt die künstliche Intelligenz Logistikunternehmen bei der Bewertung gewisser Risiken – von der besseren Planung der Zolltarife und Zollverfahren bis hin zu Risiko-Nutzen-Analysen bestimmter Verkehrsrouten.
KI-gestützte Tarifeinordnung und Dokumentenprüfung
Die Einordnung von Waren im Rahmen der Tarifierung für die Verzollung ist unter anderem aufgrund der vielen Querverweise, unterschiedlicher Interpretationen, der wechselnden Nomenklatur sowie Aktualisierungen im Harmonisierten System von EU und WHO ein in der Praxis schwieriges Thema. Gerade Einzelhändler mit wenig Erfahrung fühlen sich zum Teil überfordert und laufen Gefahr, aufgrund eines falsch ausgewählten Tarifs am Ende höhere Zölle und Strafen zahlen zu müssen.
Prinzipiell können Im- und Exporteure dieses Risiko mit einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) minimieren. Dennoch macht es Sinn, über die künstliche Intelligenz in Zollverfahren von vornherein mehr Klarheit zu schaffen und Warengruppen sowie Dokumente zu überprüfen.
KI-Tools haben einen direkten Zugriff auf die aktuellen Katalogdaten der Zolltarife und können darüber Schritt für Schritt lernen, welche Ware nach welchem Zollsatz bewertet werden muss. Speziell bei sehr komplexen Businessmodellen wie dem E-Commerce mit möglicherweise Hunderten von verschiedenen Importgütern hilft das Large Language Model dabei, die richtigen Nummern aus der Nomenklatur herauszusuchen.
Auf dieser Basis ist es dann möglich, die Zollanmeldung korrekt durchzuführen und die dafür notwendigen Dokumente zu prüfen. Fehlen bestimmte Unterlagen, wird sich die Software entsprechend melden. Abgesehen davon können Textdokumente eingescannt und von der künstlichen Intelligenz analysiert werden. Sie findet mögliche Fehler heraus und macht nach einem Abgleich mit den relevanten gesetzlichen Regelungen beziehungsweise der Nomenklatur Vorschläge zu notwendigen Änderungen.
Eine wichtige Aufgabe der künstlichen Intelligenz im Zollwesen ist es außerdem, auf Fristen und Daten hinzuweisen. Die Bearbeitung von Zollverfahren und das Einhalten bestimmter Termine wird dadurch wesentlich einfacher und minimiert das Risiko von Verzögerungen.
Die endgültige Prüfung sollte dennoch immer einem menschlichen Zollexperten unterliegen. Die künstliche Intelligenz kann in Zollverfahren zwar sehr viel leisten und Fehler aufdecken, die früher schnell untergegangen wären. Trotzdem ist sie nicht unfehlbar und sollte stets kontrolliert werden.
Risikobewertung durch künstliche Intelligenz
Eine weitere wichtige Funktion, die künstliche Intelligenz in Zollverfahren übernehmen kann, ist die Risikobewertung. Da der Algorithmus in der Lage ist, komplexe Muster zu erkennen, werden bestimmte Risiken schneller sichtbar. Das betrifft zum Beispiel mögliche Verstöße gegen die Zollvorschriften verschiedener Staaten ebenso wie die Gefahr von Compliance-Brüchen, wie beispielsweise Verstößen gegen Sanktionen und Handelsembargos.
Insofern ist künstliche Intelligenz aus Zollverfahren schon heute nicht mehr wegzudenken, zumal Importeure und Exporteure auch damit rechnen müssen, dass sie von den Zollbehörden ebenso angewendet wird.
Neben den möglichen Verstößen stehen außerdem fehlgeleitete Transaktionen und ungünstige Warenwege im Fokus der Analysemodelle. Sie finden eventuell abhandengekommene Gelder und können die Mitarbeiter im Logistikunternehmen darauf aufmerksam machen.
Beim Warenverkehr lassen sich über künstliche Intelligenz wiederum Muster und Trends erkennen. Das betrifft bei der reinen Logistik zum Beispiel das Verkehrsaufkommen über bestimmte Routen. Hier erstellt die Software außerdem eine Risiko-Nutzen-Analyse, so, wenn ein Unternehmen mit bestimmten Gefahren verbundene Transportwege wie die Meerenge vor Jemen nutzen möchte. Mit einer einfachen Wahrscheinlichkeit wird dabei abgewogen, ob sich das Risiko im Hinblick auf die Kostenersparnisse lohnt und ob ein eventueller Schaden am Ende existenzgefährdend wäre.
Auf dieser Basis hilft die künstliche Intelligenz dabei, das Risikomanagement der Logistik zu optimieren, Engpässe zu vermeiden und Ressourcen effizienter einzusetzen. So wird schnell klar, ob sich ein Trend zu längeren Wartezeiten an einer bestimmten Grenze entwickelt. Frühzeitig erkannt, können die Ressourcen nun anders verteilt werden.
Vorteile der Automatisierung durch künstliche Intelligenz in Zollverfahren
Die Automatisierung und Digitalisierung von Zollprozessen durch künstliche Intelligenz bietet allen beteiligten Akteuren viele Vorteile. Das reicht von der Beschleunigung der Prozesse und Abläufe an sich bis hin zur Vermeidung von typischen Fehlern.
KI-Tools unterstützen die Mitarbeiter in der Logistik aktiv bei der Auswahl der richtigen Zolltarife, bei der Anmeldung, dem Einreichen und Prüfen von Unterlagen sowie der Erkennung von potenziellen Compliance-Konflikten.
- Deutliche Beschleunigung von Prozessen von der Dokumentenprüfung bis hin zur automatisierten Anmeldung
- Reduzierung von menschlichen Fehlern und somit von möglichen Strafen beziehungsweise höheren Zöllen oder Nachzahlungen
- Prozessoptimierung, indem Daten schneller erfasst und verarbeitet werden können
- Prozesssicherheit und garantierte Einhaltung von Compliance-Regeln durch umfassende Prüfung der Dokumente und Vorgänge
Fallbeispiele zur Nutzung künstlicher Intelligenz in Zollverfahren
Im Folgenden stellen wir Ihnen zwei typische Beispiele für die Verwendung von künstlicher Intelligenz in Zollverfahren vor. In der Praxis zeigen sie bereits jetzt, wie viel die digitale Technologie leisten kann.
Fallbeispiel 1
In einem ersten Beispiel stellen wir ein Unternehmen vor, welches E-Commerce-Waren aus den USA und China nach Deutschland einführt. Das Warenangebot ist sehr gemischt und reicht von der Handyhülle bis hin zum Laptop. Elektronik und Zubehör stehen jedoch im Zentrum des Geschäfts.
Für die Einfuhr nach Europa hat sich die Firma bereits eine EORI-Nummer besorgt, welche auch als Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten bezeichnet wird. Diese ist Voraussetzung dafür, dass Waren in die EU eingeführt werden können.
Daneben ist eine Anmeldung beim ATLAS-IMPOST-System für die Abwicklung des Zollverfahrens von Warensendungen und die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland über IOSS (Import One Stop Shop) notwendig.
Um diese einzelnen Verfahren schneller und effizienter gestalten zu können, integriert das Unternehmen künstliche Intelligenz in seine Prozesse. Die Software ist so in der Lage, die bestellten und versendeten Waren von Anfang an mit enorm hoher Wahrscheinlichkeit dem richtigen Tarifcode zuzuordnen. Ebenso wird die Anmeldung nach einiger Zeit automatisiert. Vorher prüft ein menschlicher Experte, ob die künstliche Intelligenz korrekt vorgeht.
Nach einer Risikoprüfung wird die Zollanmeldung durchgeführt und die Umsatzsteuer bezahlt. Ein Aufkleber mit klar zuzuordnendem Code kommt auf die Oberseite des Pakets und hilft dem Zoll dabei, den Inhalt zu identifizieren. Sind die Einfuhrumsatzsteuer und die Zollgebühren für die Wareneinfuhr bezahlt, kann die Ware an den Empfänger ausgeliefert werden.
Fallbeispiel 2
Ein relativ junges Unternehmen aus den USA möchte ein neues Produkt auch in Europa vermarkten und setzt in diesem Zusammenhang auf E-Commerce. Durch die fortschreitende Innovation ist es schwer, den richtigen Zolltarif zu finden. Die künstliche Intelligenz wird in diesem Fall die Nomenklatur der EU durchleuchten und mögliche Optionen heraussuchen.
In Absprache mit den Zollbehörden wird für die nächsten Jahre ein garantierter Zolltarif über die verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) festgelegt. Somit sinkt das Risiko von plötzlich höheren Zöllen oder Fehlern bei der Anmeldung.
Dennoch bereitet die Komplexität der Zollvorschriften in den einzelnen EU-Ländern dem Unternehmen ebenso Sorgen wie die Einhaltung von Compliance-Regeln im Rahmen von Handelsabkommen. Auch hier ist die künstliche Intelligenz ein willkommenes Hilfsmittel. Die Software schaut sich alle möglichen gesetzlichen Hindernisse an und vergleicht diese mit den vorliegenden Dokumenten.
Besteht die Gefahr eines Regelbruchs, schlägt das Programm Alarm und die Mitarbeiter können die Lieferungen anpassen. So fällt im Rahmen der Prüfung plötzlich auf, dass sich ein von Handelsbeschränkungen betroffenes Unternehmen unter den Kunden befindet. Es wurde aufgrund von irregulären Weiterleitungen von Rohmaterialien an einen kriegführenden Drittstaat sanktioniert.
Da dieses Detail nun über ein KI-Tool identifiziert wurde, kann die Firma aus den USA ihre geplante Lieferung nach Europa ändern und wird den betroffenen Kunden nicht bedienen. Den Auftrag frühzeitig abzulehnen hilft auch dabei, die Ressourcen besser zu planen. Möglicherweise muss statt eines ganzen Frachtcontainers jetzt nur ein Paket als Luftfracht per Flugzeug verschickt werden.
Integration von künstlicher Intelligenz in bestehende Zollsysteme
Die Digitalisierung ist auf Seiten des Zolls bereits weit vorangeschritten. So wird in der Europäischen Zollunion das “Automatisierte Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem” (ATLAS) für die Abfertigung und Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs verwendet. Dieses Netzwerk nutzt dabei verschiedene ATLAS-Codierungen zur Identifizierungen von Warenpositionen nach Beschaffenheit, wobei diese zwischen den internationalen EU-Nummern, dem TARIC-System und den nationalen Codes variieren.
Die meisten intern genutzten Datenbanken und Software-Lösungen sind bereits jetzt auf ATLAS und andere internationale Tarif- sowie Zollanmeldungssysteme angepasst. Künstliche Intelligenz kann daher schnell und problemlos integriert werden. Sie ist in der Lage, die Datenbanken innerhalb von Sekunden zu durchleuchten und auf dieser Grundlage Entscheidungen zu fällen beziehungsweise Vorschläge zu unterbreiten.
Die Prüfer gehen bei einem Check der Zollverfahren und Anmeldungen ähnlich vor wie die Logistiker. Sie nutzen künstliche Intelligenz, um eine Vollprüfung auf Konsistenz durchzuführen. Anders als bei den früheren Stichprobenverfahren wird also wesentlich genauer hingeschaut. Der Vorteil daran ist, dass Logistiker ihre Software genau nach diesem Vorgehen einsetzen und somit typischen Fehlern aus dem Wege gehen können.
Fazit und Zukunftsperspektiven von künstlicher Intelligenz in Zollverfahren
Bereits jetzt ist künstliche Intelligenz in Zollverfahren eine kaum wegzudenkende Technologie. Auf Seiten der Prüfer und Logistiker wird sie gleichermaßen angewendet, um für mehr Genauigkeit zu sorgen, Prozesse zu beschleunigen und Fehler zu vermeiden. KI-Tools kommt dabei unter anderem bei der Zollanmeldung und -prüfung sowie bei der Risikobewertung zum Einsatz.
Noch ist die künstliche Intelligenz nicht perfekt und auch auf Dauer sollte eine zweite Betrachtung durch eine menschliche Prüf- und Kontrollinstanz stattfinden. Gleichwohl sind Large Language Models dazu in der Lage, die Prozesse insgesamt effizienter zu gestalten und typische Fehler binnen Sekunden herauszufinden.
In der Zukunft wird es sicherlich zu einer noch stärkeren Automatisierung in Zollverfahren kommen. Künstliche Intelligenz steigert Jahr für Jahr ihr eigenes Potenzial und ist in der Lage, immer mehr Daten in kürzester Zeit zu verarbeiten. Im Endeffekt sorgt das für ein höheres Maß an Genauigkeit und klarere Zollverfahren.